25 Jahre „Ein weites Feld“

25 Jahre „Ein weites Feld“

„Haben es eilig, die Herren. Einheit sofort!“

1995 ist der Roman „Ein weites Feld“ von Günter Grass erschienen. Darin wird die deutsche Vereinigung auf literarische Weise verarbeitet. Der Roman ist zugleich ein Nachdenken über das Werk des Schriftstellers Theodor Fontane, auf dessen „Effi Briest“ der Titel des Grass-Buchs zurückgeht. Insofern bedeutet „Ein weites Feld“ auch ein Stück deutscher Geschichte von der Revolution 1848 bis zu der deutschen Wiedervereinigung.

(Auszug): „Dazu schwieg Fonty, der zwischen den Stockwerken Einblick in seine Last, den Stoß Aktenordner, gewährte. Aber Hoftaller, der nichts von Interesse fand und nur einen einzigen Vorgang zwischenlagerte, blieb auf der Wendespur: ‚Hängt alles von Bonn ab. Haben es eilig, die Herren. Einheit sofort! Doch uns sind Wahlen egal, nicht wahr, Fonty? Wahlen ändern nichts, jedenfalls nicht im Prinzip. Wir bleiben so oder so im Gespräch…“
aus: Ein weites Feld, Steidl Verlag, ursprüngliche Ausgabe 1995, Seite 83

Der Steidl Verlag brachte Ende 2019 „Ein weites Feld“ als illustrierte Ausgabe neu heraus – zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane und zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Darin enthalten ist auch ein Nachwort von Daniel Kehlmann, einem der bekanntesten deutschsprachigen Gegenwartsliteraten („Die Vermessung der Welt“, „Tyll“). Für Kehlmann gleicht Grass einem „alten Meister, der zeit seines Lebens ein junger Autor geblieben ist.“
„Ein weites Feld“ wurde ein Erfolg; in den Feuilletons dagegen blieb es umstritten. 1996 erhielt Grass den Hans-Fallada-Preis, auf der anderen Seite kanzelte Großkritiker Marcel Reich-Ranicki das Buch als „ganz und gar missraten“ ab.

In seinem Werkstattbericht „Sechs Jahrzehnte“ (2014) erinnerte sich Günter Grass: „Zwar waren mir seit ‚Blechtrommel‘-Zeiten wütende und oft hirnlos anmutende Reaktionen erinnerlich – sich christlich nennende Jugendliche verbrannten, irregeleitet von ihrem Pfaffen, 1963 am Rheinufer bei Düsseldorf mit anderen Büchern meinen Roman ‚Hundejahre‘ -, doch diesmal ging es mit erwachsenem Kalkül zu. Das Magazin ‚Der Spiegel‘ zeigte auf seiner Titelseite einen als namhafte Person erkennbaren Wüterich, der meinen Wälzer – immerhin 800 Seiten stark – mit deutlich zur Schau getragenem Vernichtungswillen zerriß. Welch ein barbarischer Kraftakt! Doch hat der Roman die Anstrengung des Eifers überlebt. Die Leser in Ost und West ließen sich nicht beirren.“

 Karikatur: Harm Bengen
Karikatur: Harm Bengen